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Till Eulenspiegel - war er doch kein Deutscher und kam aus Belgien?

Till Eulenspiegel - der wohl bekannteste Schelm der Literaturgeschichte hat weltweit die Leser seiner Geschichten belustigt. In fast 300 Sprachen wurden seiner Erlebnisse und Streiche übersetzt.

Die ersten 96 Kurzgeschichten über „was ein Bauern Sohn getrieben und getan hat“ wurden um 1500 in Straßburg veröffentlicht. Von wem ist bis heute nicht abschließend geklärt. Schnell verbreiteten sich seine Geschichten über halb Europa und wurden in den jeweiligen Sprachen und Ländern teilweise entsprechend abgeändert.

 

Till Eulenspiegel - der Held von Flandern (Belgien)

Till DenkmalBesonders in Flandern, was heute zu Belgien gehört, gewann die Figur des Till Eulenspiegels an Bedeutung. Grund dafür sind die Geschichten über „Die Legende und die heroischen, heiteren und ruhmreichen Abenteuer Thyl Ulenspiegels und Lamme Goedzaks im Lande Flandern und Anderwärts“ von Charles de Coster.

Die Geschichten des Till Eulenspiegels dienten de Coster als Vorlage, wobei er die Hauptfigur vom einfachen Schelm im Ursprungswerk zu einer Heldenfigur von Flandern im Kampf gegen die Besetzung durch die Spanier aufwertet. Im belgischen Damme ist heute noch ein Eulenspiegel-Museum, sowie seine angebliche Grabstätte zu besichtigen.

Im Gegensatz zu den närrischen und unterhaltenden Streichen des Till Eulenspiegels in der deutschen Originalfassung stellt de Coster in seinem Werk die Hauptfigur als großen Kämpfer und Helden dar, der mit List und trickreichem Verstand gegen die Unterwerfung Flanderns kämpft.

Gerade deswegen und aufgrund der Tatsache, dass de Costers Thyl Ulenspiegel der erste ganzheitlich belgische Nationalheld in der Literatur des Landes nach dem Erlangen der Unabhängigkeit im Jahr 1830 war, beanspruchen die Belgier Till Eulenspiegel noch heute als einen von Ihnen.

Ähnlich wie die Ursprungswerke des unbekannten Verfassers aus Straßburg 300 Jahre zuvor gelangten auch die Geschichten des belgischen Helden in der ganzen Welt zu Ruhm und Bekanntheit. Insbesondere in Ländern, die selbst gegen Unterdrückung und fremde Besatzungen kämpften.

Der Grund für diese weltweite Beliebtheit des belgischen Unabhängigkeitskämpfers liegt wohl darin, dass dieser in seinen Geschichten sinnbildlich das Gewissen und die Stimme des Volkes darstellt, welches sich gegen Unterwerfung und Fremdherrschaft auflehnt.

Dieses Erheben von Volkes Gewissen passt genau in die Zeit des 19. Jahrhunderts, in dem in vielen Ländern der Erde, insbesondere in Europa, gesellschaftliche Umbrüche stattfanden und alte Herrschaftsformen durch mehr Beteiligung des Volkes abgelöst wurden.

 

Über den Autor

Der belgische Schriftsteller Chares Théodore Henri de Coster (1827-1879) gilt mit seinem Heldenepos des Ulenspiegels als einer der Begründer der modernen französischsprachigen Literatur in Belgien.

Als Sohn zweier Mitarbeiter der päpstlichen Residenz in München auf die Welt gekommen, wanderte die gesamte Familie 3 Jahre nach de Costers Geburt nach Brüssel aus. Vor seiner Tätigkeit als freischaffender Journalist und Schriftsteller arbeitete Charles de Coster in einer Bank und studierte Jura und Literatur. Auch im belgischen Staatsarchiv und an der Brüsseler Militärschule war er tätig.

Den Erfolg seines heute noch bedeutenden Werkes über Thyl Ulenspiegel konnte de Coster selbst nicht mehr miterleben. Er starb 1879, während der ruhmreiche Aufstieg seines Werkes erst in einer Neuausgabe von 1893 richtig an Fahrt aufnahm. Seit seinem 100. Geburtstag wird das Grab de Costers in Ixelles von einer Statue des Thyl Ulenspiegels vom Künstler Edmond de Valériola geschmückt.

Die Beleibtheit des Originalwerkes mit seinem schelmischen und gesellschaftskritischen Humor, sowie der Erfolg der belgischen Fassung des sich auflehnenden Volkshelden lässt einen klaren Schluss zu: die unterschiedlichen Völker dieser Erde sind durch zwei wesentliche Punkte miteinander verbunden: die Lust am Humor und der Wille nach Freiheit und Eigenständigkeit.

 

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