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Der Seiltanz

Der Vater von Till Eulenspiegel verstarb, als der Junge gerade 16 Jahre alt war. Seine Mutter und Till waren damit allein gelassen und hatten in ihrem Dorf mit Armut zu kämpfen. Darauf entschloss sich seine Mutter dazu, mit ihrem Jungen ins Magdeburgische Land zu ziehen.

Sie erhoffte sich dort, ihr Kind und sich besser durchbringen zu können. Doch seine Mutter hatte sich geirrt, denn die Armut verfolgte die beiden auch in die neue Heimat. Sie ließen sich auf einem Bauernhof nieder und hatten kaum regelmäßig Brot auf den Tellern.

Seine Mutter bemühte sich vergebens, für sich und ihren Sohn Till zu sorgen. Till war zu dieser Zeit bereits alt genug, um ein Handwerk zu erlernen und Geld nach Hause zu bringen. Allerdings hatte er nur Unsinn im Kopf und war ständig am Überlegen, wie sein nächster Streich aussehen könnte. Vom Handwerkerlernen und arbeiten wollte er nichts wissen.

der seiltanz

Seine arme Mutter bettelte ihren Sohn an, aber es half nichts. Stattdessen träumte Till Eulenspiegel davon, ein Gaukler zu werden und so sein Geld zu verdienen. Eine seiner Ideen war es, auf einem Seil zu tanzen und so an viel Geld zu kommen. Natürlich musste er vor seinem Auftritt üben. Dazu nahm er ein Seil und übte im Dachboden, bis ihn seine Mutter erwischte und zur Rechenschaft zog. Vergebens hatte seine Mutter versucht, ihm die Flausen aus dem Kopf zu schlagen.

Schon bald hatte Till seinen ersten Auftritt als Seiltänzer. Er spannte das Seil zwischen dem eigenen Hof über die Saale und dem Nachbarhof. Mit seinen Kunststücken auf dem Seil begeisterte er eine Vielzahl an Zuschauern. Doch als die Mutter sah, dass ihr Sohn seinen eigenen Willen durchsetzen wollte, unternahm sie etwas dagegen. Sie schnitt das Seil mit einem Messer durch und Till fiel darauf in den Fluss.

Dieser Anblick amüsierte seine Zuschauer, die sich vor Lachen kaum auf den Beinen halten konnten. Dieser Vorfall beschämte Till Eulenspiegel zutiefst. Er war äußerst wütend darüber, dass die Zuschauer ihn ausgelacht hatten. Der listige Junge wollte sich rechen und spannte nach einer Weile wieder sein Seil über den Fluss. Auch dieses Mal versammelten sich viele Zuschauer, um dem Seiltänzer zuzusehen. Till war auf dem Seil sehr geschickt und begeisterte seine Zuschauer so sehr, dass sie sogar klatschten. Nachdem er nun die Zuschauer in seinen Bann gezogen hatte, hatte er eine Bitte an Sie.

Er rief ihnen zu, dass er für sein nächstes Kunststück den linken Schuh von jedem einzelnen benötige. Die Leute waren so auf sein nächstes Kunststück gespannt, dass sie gar nicht zögerten und seiner Aufforderung sofort nachkamen. Jeder einzelne zog sich seinen linken Schuh aus und übergab ihn an den Künstler. Till sammelte die Schuhe ein und fädelte sie auf eine lange Schnur. Die Leute waren auf das Kunststück gespannt und starrten auf den Seiltänzer mit den Schuhen.

Da kündigte er an, dass jetzt das Spektakel komme und ließ die Schuhe auf die Köpfe der Zuschauer fallen. Auf einmal entstand das reinste Chaos und jeder suchte durcheinander nach seinen Schuhen. Sie kreischten und rissen sich die Schuhe aus den Händen. Till Eulenspiegel freute sich über das Gedränge und lachte sie aus. Er rief ihnen zu: "So sucht ihr nur eure Schuhe, wie ich neulich im Fluss baden musste. Damals habt ihr gelacht – und heute lache ich!"

Noch bevor die wütenden Leute ihn verprügeln konnten, war Till Eulenspiegel schon längst ins Haus verschwunden, wo er auch wochenlang blieb. Die Zeit vertrieb er sich mit Holzschuhe-Schnitzen, was seiner Mutter Hoffnung machte, dass er endlich zur Vernunft gekommen wäre.

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